Wie funktioniert “Read & Publish” an der Uni Bern?

Ein neuer Aufgabenbereich für die E-Library

Das E-Library-Team der Universität Bern hat die Bearbeitung der Read & Publish-Agreements im Jahr 2018 als neue Aufgabe übernommen. Seither konnte viel Know-how und Routine aufgebaut werden. Ende 2022 hat die UB Bern inzwischen zehn Read & Publish-Agreements, die in der folgenden Tabelle aufgeführt sind. Mit allen Verlagen in dieser Liste bestand bereits vor den Verhandlungen ein Subskriptionsvertrag.

Tabelle mit laufenden Read and Publish Agreements, unter anderem mit Elsevier, IOP, Karger, Royal Society of Chemistry, Springer Nature, Wiley

Die Teilnahme an den Read & Publish-Agreements ist Teil der Open-Access-Strategie der UB Bern (2021–2024).[i] Damit tragen wir dazu bei, dass die Nationale Open-Access-Strategie für die Schweiz von swissuniversities (2017) und deren Vision, bis 2024 alle mit öffentlichen Geldern finanzierten Artikeln in Open Access zu publizieren, umgesetzt wird.[ii]

In der Praxis bedeutet die Publikation wissenschaftlicher Artikel in Open-Access einen Paradigmenwechsel. Nicht nur im wissenschaftlichen Publikationsprozess, sondern auch in den Arbeitsabläufen der Bibliothek: Basierend auf den bisher in Rechnung gestellten Read-Kosten decken diese Transformationsverträge neu auch einen Anteil der Publish-Ausgaben ab. Forschende der Uni Bern (inkl. PH Bern und teilw. Spitäler Insel und Tiefenau), können bei Verlagen mit einem Agreement für sie kostenlos in einer Open-Access-Zeitschrift publizieren. Die Article Processing Charges (APC) werden im Rahmen der Agreements durch die Bibliothek übernommen. Eine separate Rechnungsstellung an Autor*innen entfällt.[iii]

Allerdings ist die Abwicklung dieser neuen Aufgaben nicht ohne Zusammenarbeit mit wichtigen internen und externen Partnern wie z. B. dem Konsortium, Verlagen, Forschenden und dem Open Science-Team möglich.

Zusammenarbeit mit dem Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken

Wie bei anderen nationalen Bibliothekskonsortien auch, resultiert eine zentrale Verhandlungsführung in der Schweiz in besseren Konditionen, als wenn jede Institution einzeln Verträge aushandeln würde. Dementsprechend werden die Read & Publish Verträge der UB Bern über das Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken verhandelt und abgeschlossen.[i] Trotz der angestrebten Vereinheitlichung der Vertragsbedingungen mit den Verlagen, zeigen sich bei deren Ausführungen jedoch Unterschiede, wie z. B.:

  • Zusätzliche Gebühren zu den APCs: für Farbabbildungen (colour charges) oder zusätzlichen Seiten einer zu publizierenden Veröffentlichung (page charges).
  • Open Access-Publikationswege: Unterschiedliche Zeitschriftenportfolios zur Publikation in Gold- und/oder Hybrid-Zeitschriftentitel.
  • Jährliche Artikelkontingente: Werden mehr als die vereinbarte Anzahl an Artikel publiziert, müssen diese zusätzlich bezahlt werden. Die Artikelkontingente gelten für alle teilnehmenden Institutionen. Es gilt das Motto: «First come, first serve.»

Bis ein neues Agreement abgeschlossen und das Angebot lanciert werden kann, braucht es mindestens ein Jahr Vorlaufzeit. Dies ist abhängig vom Verlauf der Vertragsverhandlungen zwischen den Verlagen und dem Konsortium sowie den auszuhandelnden politischen Konsens in der Nationalen Arbeitsgruppe Lizenzen.

Es ist eine aufwendige und komplexe Aufgabe: Offerten-Varianten müssen mehrmals geprüft werden. In Absprache mit UB-internen Stakeholdern wird die institutionelle Position unter jeweils hohem Termindruck erarbeitet.

Die Schnittstellen zu den Verlagen

Ist ein Vertrag dann einmal unterschrieben, muss der Arbeitsablauf aufgegleist werden. In der Einführungsphase eines neuen Produkts wird teamintern zunächst ein*e Produktverantwortliche*r bestimmt. Diese*r schult sich durch die Teilnahme an Webinaren und Q & A in den Abläufen der verlagsspezifischen Article Approval Systems. Die oben genannten Unterschiede der Vertragsumsetzung verdeutlichen, dass zudem die abgeschlossenen Agreements sorgfältig gesichtet werden müssen, um den Forschenden aufzuzeigen, was über ein Agreement bezahlt wird und was nicht. Die relevanten Informationen werden in geeigneter Form auf folgenden Kommunikationskanälen präsentiert:

  • Uni Webseite: FAQs zu den Produkten, mit denen aktuell ein Read & Publish-Agreement via Konsortium besteht.
  • Zeitschriften-Titellisten und Journal-Finders: Es kann recherchiert werden, ob in einer Zeitschrift im Rahmen eines Agreements publiziert werden kann.
  • Schritt-für-Schritt-Anleitungen: Erklären im Detail das Vorgehen für Autor*innen im Publikationsprozess.
  • Author Guidelines: Erläutern die Rahmenbedingungen der jeweiligen Zeitschriften bei der Eingabe eines Manuskripts (auf Verlagswebseiten).
  • Weiterführende Tutorials und Anleitungen: auf Verlagswebseiten.
  • Newsletters und News Open Science: Informationen mit starkem Aktualitätsbezug wie z. B. neuer Read & Publish-Agreements oder auslaufenden Artikelkontingenten.

Informationen und Support für die Forschenden

Gegenüber den Forschenden ist es im gesamten Bearbeitungsprozess wichtig, klar zu kommunizieren. Mitte September teilten wir mit, dass für das kostenlose Open-Access-Publizieren bei Wiley das Artikelkontingent für das Jahr 2022 ausgelaufen ist. Problematisch für Forschende ist daran, dass die Artikel vom Kontingent erst mit dem Acceptance Date des Artikels vom Kontingent abgezählt werden.

Obwohl bibliotheksseitig so früh wie möglich über das Auslaufen von Artikelkontingenten informiert wird, kann nämlich weder durch Autor*innen, Verlage noch der Bibliothek Einfluss auf den bisweilen monatelangen Review-Prozess von Artikeln genommen werden. Wird ein Artikel zum Zeitpunkt des ausgelaufenen Kontingents akzeptiert, müssen Autor*innen die Finanzierung der APCs selbst organisieren. Obwohl mit den Read & Publish-Agreements jährlich der grössere Anteil von APCs über das Bibliotheksbudget finanziert wird, verbleibt in der Science Community in diesen Fällen ein gewisser Anteil von Unzufriedenheit über Gelder, die nicht mehr zur Verfügung stehen. Besonders in der ersten Jahreshälfte wird das E-Library-Team durch den Support stärker beansprucht. Bei neu lancierten Produkten ergeben sich viele Fragen erst aus der Praxis. Die Produktverantwortlichen bearbeiten alle Anfragen, die während des Publikationsworkflows eines Artikels anfallen. Einerseits betrifft dies konkrete Anfragen seitens der Forschenden; andererseits wird bei jedem Artikel im Article Approval System des Verlags geprüft, ob folgende Kriterien zutreffen und ein*e Autor*in berechtigt ist, ihren Artikel im Rahmen des Read & Publish-Agreements zu veröffentlichen:

  • Der/die Corresponding Author muss der pro Verlag festgelegten affiliierten Institution angehören,
  • im Besitz einer institutionellen E-Mail-Adresse sein,
  • während der Lizenzdauer und zum für das Agreement relevanten Stichdatum (Submission oder Acceptance Date) der Institution angehören.

Publikationssysteme und Finanzierungsmodelle von Open Access

Forschende sind im Publikationsprozess in der Rolle als Corresponding Author über den gesamten Workflow hinweg für das Funding des zu publizierenden Artikels verantwortlich. Die folgende Abbildung zum Publikationssystem und den Finanzierungsmodellen verdeutlicht, dass Autor*innen daher bereits zu Beginn eines Publikationsvorhabens gut abklären müssen, wie dessen Publikationskosten finanziert werden können. Das Open Access-Team der UB Bern berät Forschende darin, das für sie geeignete Finanzierungsmodell zu finden.

Grafische Darstellung der Finanzierungsmodelle: Green OA, Gold OA mit APCs, hybrid mit Read and Publish Agreements




Hacker, A. / Altermatt, S. (2022): Publikationssystem und Finanzierungsmodelle.

Handelt es sich um einen Verlag, mit dem ein Read & Publish-Agreement besteht, sollten Berner Forschende auf der UB-Webseite in den FAQs Read & Publish prüfen, ob der gewünschte Titel sich auf der Zeitschriftenliste des Verlags befindet. Trifft dies zu, sie ihre Forschungsergebnisse in Open Access publizieren, ohne sich um die Kosten kümmern zu müssen. Dabei müssen sie bei der Bearbeitung ihrer Artikel auf der Verlagsplattform darauf achten, dass sie an entsprechender Stelle im Publikationsprozess den richtigen Pfad wählen, um ihren Artikel im Rahmen des Read & Publish-Agreements zu veröffentlichen.

Bei Gold Open Access-Artikeln in Zeitschriften oder bei Verlagen, die nicht via Read & Publish-Agreements abgedeckt sind, müssen Berner Forschende andere Finanzierungswege gefunden werden: sie können z. B. einen Antrag zur Finanzierung via den Open Access Publikationsfonds der Uni Bern stellen.

Fazit

Ein Rückblick auf die letzten Jahre zeichnet Read & Publish als ein spannendes und anspruchsvolles Aufgabengebiet, dass sich dem E-Library-Team eröffnet hat. Durch die weiterhin zu erneuernden Verträge und dem sich rasch verändernden wissenschaftlichen Publikationswesen bleibt es weiterhin ein dynamisches Gebiet. Fachliche Kompetenzen müssen laufend weiterentwickelt werden. Eine Brise Offenheit und Flexibilität vereinfacht dabei die Zusammenarbeit mit internen und externen Ansprechpartnern.


[i] In der Strategie der Universitätsbibliothek Bern (2021-2024) wurde die Weiterentwicklung von Open Access an verschiedener Stelle mitberücksichtigt: https://www.ub.unibe.ch/unibe/portal/unibiblio/content/e6382/e6386/e1025993/Strategie2021_2024_ger.pdf

[ii] Nationale Open-Access-Strategie für die Schweiz von swissuniversities (2017): https://www.swissuniversities.ch/fileadmin/swissuniversities/Dokumente/Hochschulpolitik/Open_Access/Open_Access__strategy_final_DE.pdf

[iii] Alle verwendeten Fachbegriffe rund um Open Access lassen sich im Glossar auf der Webseite des open-access.network nachschlagen: https://open-access.network/startseite

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